Auch für Trennungseltern der bessere Weg:

Der "168-Stunden-Vertrag"

Betreuung und Unterhalt teilen
 
Eltern müssen nach einer Trennung ihre Aufgabenverteilung neu regeln. Jenseits der oft sehr konventionellen Sichtweisen vieler Familiengerichte gibt es Alternativen. Beide Eltern nehmen an der Betreuung teil. Beide übernehmen Verantwortung in der Alltagsversorgung und im Unterhalt.
 
Gemeinsame Elternschaft nach Trennung gelingt am besten mit gutem Willen. Der lässt sich vom Gesetz nicht erzwingen. Trennungseltern müssen über alle Verletzungen hinweg anerkennen, dass sie zwar kein Paar mehr sind, aber durch gemeinsame Elternschaft noch viele Jahre miteinander verbunden bleiben werden. Sie sollten miteinander aushandeln, wie sie gemeinsam für den kompletten Unterhalt der Kinder aufkommen: für die vollständige Betreuung und für die vollständige Fi­nanzierung. Wir nennen eine solche Vereinbarung den 168-Stunden-Vertrag, denn so viele Stunden hat die Woche.
 
Wie dieses Konto bedient wird, können Eltern bei ihrer Trennung verabreden. Wer siebzig Prozent des Barunterhalts beisteuert, über­nimmt vielleicht die Garantie für dreißig Prozent der persönlichen Betreuung, und umge­kehrt. Die Lebensumstände können sich ändern, die Anteile auch.
 
Für eine Elternvereinbarung müssen die beiden Aufgabenbereiche (Betreuung und Unterhalt) in ihrem jeweili­gen Umfang geklärt werden. Für den Barbedarf eines Kindes kann man sich an der Düsseldorfer Tabelle  orientieren. Diese wiederum richtet sich ungefähr nach dem Einkommen der Eltern (siehe die offizielle Tabelle).
 
Wenn Eltern ihren Barunterhalt quoteln, sollten sie sich an der Einkommensgrup­pe in der Tabelle orientieren, die der Summe ihrer beiden Nettos entspricht. Bei­spiel: Axel verdient netto 34.000 €, Miriam 22.000 €. Das ergibt ein 56.000 € und ein Monatsnetto von 4.667 €, also einen Kindesunterhalt von, je nach Alter und  Umständen, zwischen 488,50 € und 693,50 €.
 
Zu dem Tabellenbetrag sollte hinzugerechnet werden, was etwa an Kindergartenbei­trägen anfällt. Auch andere Dauerbelastungen (für Musik, Therapie oder Nachhilfe) sollten dazugerechnet werden. Nehmen wir an, die Eltern einigen sich auf einen Monatsbedarf von 600 €. Für die Berechnung der Quote, die jeder beisteuern muss, gibt es eine Formel, die immer dort zur Anwendung kommt, wo beide Eltern sich am Barunterhalt beteiligen, etwa im Wechselmodell oder bei Volljährigen: Die Eltern errechnen zunächst ihr "bereinigtes Netto". Das ist das Nettoeinkommen abzüglich Kreditraten, Arbeitswegkosten, Vermögensbildung usw.
 
Nehmen wir an, Axel hat danach noch 2.200 €, bei Miriam bleiben 1.600 € übrig. Dann wird der Anteil an den Unterhaltskosten errechnet aus dem, was oberhalb von 1.400 € noch übrig bleibt. Da steht Axel mit 800 € da und Miriam mit 200 €. Und in diesem Verhältnis sollen sie den Barunterhalt ihres Kindes tragen: Axel mit 80 %, Miriam mit 20 %. Die Regelung mit dem 1.400-€-Sockel, der unberücksichtigt bleibt, soll den Elternteil begünstigen, der weniger verdient. Dem besser verdienenden steht dafür ein größerer Anteil am staatlichen Kindergeld zu.
 
Für den Bedarf an persönlicher Betreuung gilt zumindest bis zum Ende der Grundschule: Keine Stunde darf unberücksichtigt bleiben. Für jede Stunde muss eine Verantwortlichkeit auch dann bestehen, wenn die reguläre Betreuung aus ir­gendeinem Grund ausfällt:
  • wenn Schulferien sind,
  • wenn das Kind Fieber hat,
  • wenn die Kita geschlossen bleibt,
  • wenn Opa oder Oma verreist sind.
In einem Satz: Zu regeln sind nicht nur die Stunden der persönlichen Betreuung, sondern auch der Hintergrunddienst während der Betreuung durch Dritte. Besonders Eltern mit Nacht- oder Wochenenddienst sollten die Probleme durchspielen, die sich erge­ben, wenn der reguläre Wochenplan durch unvorhergesehene Ereignisse gestört wird.
 
Die Eltern müssen also zwei Konten auffüllen: den Barbedarf von 600 € im Mo­nat (der sich auf zwei Haushalte verteilt) und den Betreuungsbedarf von 168 Stunden in der Woche. Und wir sollten diese Konten wie kommunizierende Röhren vorstellen: ein Mehr an persönli­cher Betreuung zieht ein Weniger an finanzieller Verantwortung nach sich und umgekehrt.
 
Diese Idee ist unserem Unterhalts- und Umgangsrecht noch einigermaßen fremd. Es gibt aber immer mehr Eltern, die ihre Elternverantwortung nach der Trennung genau so organisieren. Das Muster einer konkreten Vereinbarung finden Sie hier.

Familienrecht für Mediziner

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